Salome Ramseier, Head Corporate Communication & Public Affairs SV Group

Der Linkedin-Auftritt des CEO wird Standard

Seit seiner Lancierung 2003 hat sich Linkedin von der virtuellen Visiten-Rollkartei zum businessrelevantestem Social-Media-Netzwerk mit weltweit 850 Millionen Nutzern entwickelt. Es wird mittlerweile als starkes Werkzeug zur Kundengewinnung, Rekrutierung oder als Fachartikel-Quelle benutzt und ist ein etablierter Kanal, um Unternehmensinformationen zu verbreiten. Und auch für fast jeden CEO gehört ein LinkedInProfil heute zum Einmaleins des Netzwerkens.

Text: Salome Ramseier und Andreas Jäggi

In den letzten Jahren hat sich Erstaunliches getan. Waren vor nicht langer Zeit Profile von CEOs bedeutender Firmen eine Seltenheit, so sind heute die Linkedin-Abstinenten die Minderheit. Diesen Eindruck verstärkt sich, wenn man die 100 CEOs der HarbourClub-Mitglieder untersucht. (Grafik 1). Es finden sich lediglich acht CEOs ohne LinkedIn-Auftritt, weitere 30 Prozent begnügen sich mit einem sehr rudimentären Auftritt, der kaum mehr als ein Foto, die Funktion und die Firma beinhaltet. 19 Prozent wagen sich schon weiter und veröffentlichen mindestens einen Beitrag pro Quartal. Erstaunliche 43 Prozent gehören aber zu den „Heavy Usern“. Sie veröffentlichen fast im Wochentakt News und haben dabei auch schon eine stattliche Gefolgschaft. Insgesamt folgen allein den hundert HarbourClub-CEOs über 1 Million Linkedin-Nutzer.

Novartis CEO Vasant Narasinham Superstar

Der absolute Spitzenreiter, gemessen an der Anzahl Follower ist Novartis-CEO Vasant Narasinham. 360‘000 Menschen folgen seinem LinkedIn-Profil. Ebenfalls sechsstellig sind Sergio Ermotti (243‘000) und nah daran Nestlé-Schweiz-Chef Mark Schneider (99‘000). Die meisten der vielschreibenden CEOs müssen sich aber mit einer Followerzahl unter 20‘000 zufriedengeben. Ausnahmen sind die Chefs von Swisscom und SBB, also Organisationen im B2C Bereich und hoher öffentlicher Aufmerksamkeit. (Grafik 2)

Inhalte
Relevanz gewinnen CEOs auf Linkedin mit Inhalten, die für Nutzerinnen und Nutzern wichtig sind, d.h. auch geliked, kommentiert oder gar geteilt werden. Dies erreicht nicht, wer lediglich seinen Quartalsabschluss postet oder Feiertagswünsche absetzt. Gefragt sind Fakten oder Meinungen zu relevanten Entwicklungen in der Industrie. Dies garantiert nicht nur eine hohe Followerzahl, sondern wird seit Oktober 2022 von Linkedin selber belohnt mit der Verleihung eines sogenannten „Top Voice“-Badges. „Ordensträger“ sind im untersuchten Sample Novartis CEO Vas Narasimhan, Sergio Ermotti (UBS), Christoph Aeschlimann (Swisscom) und Christian Mumenthaler (Swiss Re).

Indem diese Meinungsführer qualitativ hochwertigen Content veröffentlichen, regen sie das Publikum dazu an, sich an ihren Inhalten zu beteiligen und erhöhen so ihre Chancen, ein grösseres Publikum zu erreichen. Dies zahlt sich dann auch in einem überdurchschnittlichen Follower-Zuwachs aus. So hat Vas Narasimhan allein in acht Wochen anfangs 2024 7000 Follower dazugewonnen.

Restrisiko Reputationsschaden
Gegen ein Linkedin-Profil sprechen ähnliche Argumente, die gegen eine starke Profilierung in den klassischen Medien ins Feld geführt werden. Mit der Exponiertheit eines CEOs wachsen die Reputationsrisiken, besonders bei Äusserungen zu gesellschaftlich kontroversen Themen. Sozialer Aktivismus gar wirkt in den meisten Fällen kontraproduktiv, besonders wenn er als Beitrag zur Polarisierung der Gesellschaft wahrgenommen wird. Und auch der Vorwurf der Selbstdarstellung steht im Raum. Nicht zu reden von der Möglichkeit, dass die schnellen, ungefilterten Reaktionen aus einem unkontrollierbaren Resonanzraum Entrüstungsstürme hervorrufen können. Zwar auf LinkedIn gut zu handhaben, aber ein Spill-Over-Effekt zu anderen sozialen Netzwerken kann nie ausgeschlossen werden.

Die Vorteile überwiegen
Ein CEO ohne Linkedin Profil verpasst wichtige Chancen für den direkten Dialog mit unterschiedlichsten Anspruchsgruppen. Linkedin-Enthusiastin und -Beraterin Erica Kessler beschreibt die Vorteile – natürlich in einem LinkedIn-Artikel- wie folgt: „Ihre Online-Reputation ist auf Linkedin Gold wert! Wer online mit einem Linkedin-Profil nicht zu finden ist, keinen guten ersten Eindruck macht oder im Newsfeed nicht als Vordenker wahrgenommen wird, wird von anderen Führungskräften in Formel-1-Geschwindigkeit überholt. Journalisten, Investoren, Vorstandsmitglieder, potenzielle Neukunden, Talente oder Mitarbeiter informieren sich nicht nur über die Unternehmenswebsite oder das Intranet. Sie checken auch die Linkedin-Geschäftsseite und die persönliche Präsenz.“

Auch andere Linkedin-Experten bestätigen, dass heute von Personen mit öffentlichen Funktionen erwartet wird, dass sie in einem Linkedin-Profil “anfassbar“ werden und ihre Meinungen öffnen zu Kommentaren und Feedback aus dem Publikum. Damit stärken die CEO-Profile auch das Vertrauen in das Unternehmen und werden für potenzielle Mitarbeitende und Kunden attraktiver. Von der Wirkung gegen innen ganz zu schweigen; die eigene Belegschaft gehört zu den interessiertesten Leserschaft.

Unterstützung durch die Kommunikations-Abteilung
Ein authentischer und wirkungsvoller Linkedin-Auftritt und die Unterstützung durch die Kommunikationsabteilung widersprechen sich nicht, im Gegenteil. Das Erfolgsrezept liegt in einer Zusammenarbeit, die den persönlichen Ausdruck des CEOs nicht einschränkt, ihn aber bei der Definition der Content-Strategie unterstützt und bei den Inhalten zuarbeitet, sei es bei Texten, Grafiken und Bildern, beim Faktencheck oder bei der Beantwortung von Fragen, die Nachrecherche benötigen. So gehört mittlerweile der CEO-Auftritt in die Traktandenliste des regelmässigen bilateralen Austausches von Kommunikationsverantwortlichen mit ihrem CEO.

Grösse zeigt sich in der Niederlage

Ultimative Feuerprobe der authentischen Linkedin-Präsenz sind natürlich Situationen, in denen keine Schönwetter-Posts veröffentlicht werden können. So verkündigt Bank-Bär-CEO Philipp Rickenbacher seinen Rücktritt Anfang Februar stilvoll und verabschiedete sich am letzten Tag seiner Amtszeit mit einem Dankeschön auf Linkedin. Der Post erhielt innert kürzester Zeit fast 2000 Likes und Dutzende von Kommentaren, die meisten positiv.

Fazit: Die Chance nutzen
Der vermeintliche Kontrollverlust durch einen Linkedin-Auftritt lässt sich in diesem Business-Kanal sehr gut steuern und ist sicherlich kleiner als bei jedem Auftritt in den traditionellen Medien. Als Gewinn winken ein Zugewinn an Reputation, die Stärkung des gesamten Unternehmensauftritts und ein Vertrauensvorschuss bei Mitarbeitern, Bewerberinnen und Kunden.

Der CEO spielt eine wichtige Rolle

„Linkedin ist zu einer wichtigen Plattform geworden, um ein Unternehmen zu positionieren. Als Kopf nach aussen spielt der CEO auch hier eine wichtige Rolle. Dabei geht es nicht nur ums allgemeine Image. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels kann Linkedin für die Talentrekrutierung eingesetzt werden.“

Vor allem mit Thought-Leadership-Themen unterwegs

"Unser CEO Christian Mumenthaler ist in erster Linie mit Thought Leadership-Themen auf Linkedin unterwegs – und mit Eindrücken von seiner Teilnahme bei internationalen Foren wie COP28, Davos oder Branchen-Events, beispielsweise der Geneva Association. Diskussionsbeiträge sind ihm wichtiger als Selbstpositionierung – das macht seine Linkedin-Präsenz sehr authentisch."

Eine Stunde pro Woche Unterstützung durch die Kommunikationsabteilung

Bei Adecco Schweiz ist der Linkedin-Auftritt unseres CEO Teil unserer gesamten Content-Marketing-Strategie und wir sind darüber mit ihm auch regelmässig im Austausch. Vieles macht er selber: Artikel teilen oder kommentieren zum Beispiel. Wir unsererseits machen ihm Vorschläge für längere Posts zu Arbeitsmarktthemen, Studien oder internen und externen Events. So haben seine Beiträge eine Kadenz von ca. ein bis zweimal die Woche. Ich beurteile es als vertane Chance, den CEO nicht auf Linkedin zu positionieren. Die Vorteile, etwa dem Unternehmen ein Gesicht zu geben, überwiegen eindeutig. Und Linkedin-Profile sind – im Gegensatz zu anderen Social-Media-Kanälen – ja auch sehr gut kontrollierbar.

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